Geburt und Tod

Freund Hein, bist immer nah.

Als ich, wehrlos,  dem Leib der

Mutter einst entfloh, hast du

mich kurz und sanft geküsst,

so roh mich man dir dennoch

entriss!

Wie oft hast du den Weg

zu mir doch nicht gescheut,

dich umgedreht,

manchmal erst nach vielen

Tagen –

hat es meinen Vater, meine Mutter

dann gefreut?

Du bist immer ein Begleiter,

ein schneller, unsichtbarer Reiter,

gemessen an dem Leben, aber

immer nur Zweiter!

Ich habe voll Vertrauen deinen

Arm berührt,

du hast die Sehnsucht –

das Flehen nach der Leiden Ende –

auch schon mal nach dir

geschürt.

Du wanderst täglich durch

der Länder Straßen,

scheust keine Höhen, keine

Tiefen,

kehrtest um für Mensch und Tier,

berührtest sie oft

wenn sie schliefen.

So mancher hat viel Geld

geboten,

dass du den Schritt weg von seinem

Hause lenkst und nicht bedacht,

dass du den ewigen Frieden

schenkst.

So mancher hat durch

seine grausame Härte

der Männer, Frauen, Kinder

oder Lebensfährte,

den Weg zu dir bewusst gelegt.

Man sagt, dass du der Feind

des Lebens bist, weil man dies

Leben nur mit den Zahlen der

Jahre misst.

Da scheint es Vielen nicht so

ungeheuer wichtig,

dass ewig Schmerz und Grauen

auch nicht richtig ist.

 

So schlagen die Menschen dir

oft ein Schnippchen,

oder hast du es dann so gewollt?

und ihnen nur ein verächtlich

Lächeln dann gezollt?

Oft verbreitest du Angst und

Schrecken, wenn Menschen

nach dem Absturz eines

Flugzeugs, oder im Krieg

den Boden bedecken.

Wie oft hörst du den

Kranken, den Alten nach

dir rufen, erlöst sie aus ihrer

Qual,

da finden dich die

Menschen als Bestandteil

ihres Daseins letztlich ganz

normal!

Ich fürchte dich nicht, denn

du gehörst zum Sein:

Am Anfang ist Geburt, am

Ende wartest du mit deinem

wärmenden Mantel, du,

Freund Hein.

 

© Isabella Bernardo, Wien 
alle Rechte vorbehalten.

Texte

 

Feedback

Links

Impressum